Szenischer Rundgang zum Thema Armut

Caritas Thurgau will mit einem Rundgang auf die Armut im Kanton Thurgau aufmerksam machen. Verschiedene Stationen mit kurzen Szenen zeigen die verschiedenen Facetten von Armut auf.

Teuerung, gestiegene Mietzinsen, jährlich steigende Krankenkassenprämien, höhere Stromkosten: Das Leben in der Schweiz wird von Jahr zu Jahr teurer. Was einen Teil der Schweizer Bevölkerung ärgert, weil am Ende des Monats Geld im Portemonnaie fehlt, ist für Armutsbetroffene oder Menschen am Existenzminimum eine Katastrophe. Denn genau solche gestiegenen Kosten führen dazu, dass sie ihre Ausgaben nicht mehr finanzieren können. Oft haben sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe, weil die Bedingungen dazu fehlen. Oder der Gang aufs Sozialamt ist zu schambehaftet, sodass diese Menschen den Anspruch auf Sozialhilfe gar nicht geltend machen. Oder sie tun dies aus anderen Gründen nicht.

Angepasste Idee
Unter dem Motto «UnSichtbarer Thurgau» haken die beiden Macherinnen des szenischen Rundgangs der Caritas Thurgau, Susanne Braun und Salome Scheiben, genau dort ein. «Wir möchten die Menschen im Thurgau dafür sensibilisieren, dass es versteckte Armut gibt. Und aufzeigen, welche Faktoren dazu führen können, dass jemand in die Armut abrutscht», sagt Susanne Braun, zuständig für Diakonie. Sie hat die Idee des Rundgangs von einer Weiterbildung mitgebracht und mithilfe von Salome Scheiben, Sozialberaterin bei Caritas Thurgau, auf die Thurgauer Verhältnisse übertragen. Vorbild ist der Rundgang der Caritas im Kanton Aargau. Ohne zu viel zu verraten, erzählen die beiden Frauen, dass die Zuschauenden auf dem etwa eineinhalb Stunden dauernden Rundgang an verschiedene Stationen kommen, in denen szenisch eine Lebenssituation dargestellt wird, die in die Armut führen kann.

Grosser Druck 
«Der Kanton Thurgau hat eine Sonderstellung innerhalb der Schweiz inne, weil es keinen Vermögensfreibetrag gibt, wenn man Sozialhilfe beziehen will», erklärt Salome Scheiben. «Das bedeutet: Man darf gewissermassen nichts mehr auf dem Konto haben, bevor man sich beim Sozialdienst melden kann. Das erzeugt grossen Druck.» Susanne Braun ergänzt: «Im Thurgau gibt es nach wie vor eine schwarze Liste: Bezahlen Menschen ihre Krankenkassenprämie nicht, werden sie in diese Liste aufgenommen. Sie erhalten dann nur im Notfall eine Behandlung. Auch diese Situation führt zu Druck und kann schwerwiegende gesundheitliche und psychische Probleme auslösen.» All diese Probleme sollen für Interessierte mit dem Rundgang sicht- und erlebbar gemacht werden. 

Mangelnde Strategie
Auf die Frage, wie Armut definiert wird, antwortet Salome Scheiben: «Wer von Armut betroffen ist, kann nur knapp das Grundlegendste bestreiten: die Miete, die Krankenkasse und den Lebensunterhalt. Ein Kaffee auswärts liegt praktisch nicht drin. Zahnarztbesuche sind unerschwinglich. Das grosse Problem dabei ist, dass Armut sozialen Ausschluss mit sich bringt.» Auch Susanne Braun betont den sozialen Aspekt der Armut: «Soziale Kontakte gehen verloren. Mit der Zeit wird der Anschluss an die Gesellschaft immer schwieriger – zudem fehlen Perspektiven.» Beide sagen, es fehle gewissermassen eine Lobby für die Armutsbetroffenen. Eine fundierte Strategie zur Armutsbekämpfung gebe es ihrer Meinung nach nicht. Dabei existierten nicht einmal richtige Zahlen zur Armut, man orientiere sich an der Sozialhilfestatistik. Die Caritas Schweiz bemühe sich, diesen Menschen eine Stimme zu geben. Sie stehe in Kontakt mit politischen Funktionsträger*innen. 

Zentraler Ausgangspunkt
Auf die Frage, weshalb Weinfelden für die Rundgänge ausgesucht worden ist, sagt Susanne Braun: «Weinfelden, wo die Caritas Thurgau ihren Sitz hat, liegt zentral. Zudem gibt es hier verschiedene soziale Institutionen. Die evangelisch-reformierte und die katholische Kirchgemeinde unterstützen uns. Wir pflegen mit ihnen eine gute Beziehung. Dafür sind wir sehr dankbar. Direkt gegenüber dem Bahnhof findet sich die kirchliche Notherberge. Zudem gibt es verschiedene Lebensmittelabgabestellen respektive Bezugsmöglichkeiten von Lebensmitteln für Armutsbetroffene.» Vorerst wird der Rundgang zweimal durchgeführt. Aber es gibt bereits Anfragen für weitere Rundgänge. Im Anschluss an einen solchen dürfen sich die Teilnehmenden bei einem kleinen Apéro austauschen. Der Anlass ist kostenlos, eine Kollekte ist freiwillig.

Béatrice Eigenmann, 10.04.2024


UnSichtbarer Thurgau
Kostenloser szenischer Rundgang bei jeder Witterung
Do, 25.4./Di, 30.4., jeweils 17.30 Uhr
Zentrum Franziskus Weinfelden
Anmeldung erforderlich:
sbraun@caritas.ch
 

Susanne Braun und Salome Scheiben, Caritas Thurgau
Quelle: Béatrice Eigenmann
Machen mit ihrem Rundgang Armut sichtbar: Susanne Braun und Salome Scheiben, Caritas Thurgau

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